Das Pantheon
von Olga Neduva
 

Das Pantheon ist das Musterbeispiel des zur Vollkommenheit entwickelten römischen Sakralbautempels.
In seinen wichtigsten architektonischen Elmenten ist es bis heute unversehrt erhalten.
Es ist ein Abbild der Ewigkeit im Auf und Ab der Geschichte der Stadt Rom. Das Pantheon liegt im Mittelpunkt des alten Roms der Päpste, auf dem Marsfeld. Der eindrucksvolle Bau ist in zwei deutlich unterschiedene Teile gegliedert.
Der Vorbau hat das Aussehen eines klassischen Pronaos, einer Tempelvorhalle. Außergewöhnlich an ihm wäre nur seine lastende Schwere, wenn so die Säulen so angeordnet wären, dass er in drei durch Apsiden oder den von ihnen umrahmten Eingang abgeschlossene Schiffe aufgeteilt würde. Doch die Verbindung der Vorhalle mit dem Hauptteil des Gebäudes ist recht unglücklich, so, dass man zur Auffassung gelangt ist, es handle sich bei diesem Pronaos um Reste eines älteren Gebäudes. Tatsächlich trägt der Fries eine Inschrift mit dem Namen Agrippas, des Schwiegersohns des Augustus. Während die Ziegel der Cella in den Jahren 120-123 n. Ch. hergestellt wurden. Heute weis man, dass der Tempel von Hadrian völlig umgebaut, die Inschrift Agrippas jedoch belassen wurde. Die Cella ist ein gewaltiger Rundbau aus Ziegelsteinen; er misst 43.30 m im Durchmesser und wird von einer Halbkugelkuppel überragt, die genau auf dem Mauerzylinder aufsitzt und deren Scheitel 43,3 m über dem Boden liegt.
Vergeblich sucht man in der Sakralarchitektur nach Vorläufern dieses Bauwerks; man findet sie vielleicht in den Thermen - eine scheinbar paradoxe, aber leicht erklärbare Tatsache. Diese riesigen Badeanlagen der Kaiserzeit waren wahrhaftige Märchenpaläste, in denen der Herrscher für seine Untertannen alle Wunder der ihm zugänglichen Natur vereinigte. In ähnlicher Weise ist auch das Pantheon ein Mikroskop - aber gleichsam ans Transzendentale überhöht: seine Kuppel mit einem Auge, durch das die Strahlen der Sonne einfallen, steht das Himmelgewölbe da, und all die Götter, die in ihm vereinigt sind, personifizieren die wohltätigen Kräfte der Natur. Deshalb bildet, wie auch bei den Thermen, das prächtige Innere mit seinem vielfarbenen Marmorschmuck einen starken Gegensatz zu den kahlen, strengen Fassaden. Der Besucher wird von der einer Art von Taumel erfasst, wenn er die Blicke zum Oberlicht in der Mitte der Kuppel erhebt, das ihn zum Himmel emporzuziehen scheint. Damit aber die Schwere der Konstruktion den Betrachter nicht erdrückt, lockerte der Baumeister den massigen Zylinder durch acht Nischen auf; eine ist dem Eingang vorbehalten.
Sechs der Nischen weisen je zwei Säulen auf, die die Kuppel zu tragen scheinen, doch setzt sich diese in Wirklichkeit aus Entlastungsbogen zusammen, die die Druckkräfte in die massiven Pfeiler Exedren ableiten.
Wie die Basiliken hat auch dieses Bauwerk keine geschlossene Innenwand, so dass die Phantasie angeregt wird, sie nach allen Richtungen ins Unendliche auszuweiten.
Die Entwicklung des römischen Sakralbaus gipfelt in diesem Pantheon, das in allen seinen Elmenten dem griechischen Tempel völlig entgegengesetzt ist: in der Betonung des in sich geschlossenen Innenraums, dem kreisförmigen Umriss, der halbkugelförmigen Kuppelwölbung, der Struktur, dem Material, den Proportionsverhältnissen. Hadrian steht - übrigens zu Recht - im Ruf, ein Philhellene und Bewahrer der Tradition gewesen zu sein. Umso markanter ist der Bruch, der sich durch die Errichtung dieses Heiligtums zeigte, zwischen dem griechischen Geist des fünften und vierten vorchristlichen Jahrhunderts und dem Geist seiner Zeit.

 
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