FilmanalyseDramaturgie, SuspenseBeispiel aus Alfred Hitchcocks "Die Vögel"Unterrichtsbeispiel für die Oberstufe des Gymnasiums im Fach Kunsterziehung Von Ulrich Schuster |
"In einer Vogelhandlung in San Francisco lernt Melanie Daniels,
eine etwas snobistische junge Frau aus der besten Gesellschaft, den jungen
Anwalt Mitch Brenner kennen. Trotz seiner sarkastischen Haltung macht er
Eindruck auf sie, und sie fährt nach Bodega Bay, um seiner kleinen
Schwester Cathy zwei "Liebesvögel" zum Geburtstag zu schenken.
Gleich bei ihrer Ankunft wird sie von einer Möwe an der Stirn verletzt. Melanie entschließt sich zu bleiben und verbringt die Nacht bei Annie Hayworth, der Lehrerin des Ortes. Annie warnt Melanie vor Mitchs Mutter, einer herrischen Frau, die ihren Sohn für sich behalten will. Als die Kinder am nächsten Tag Geburtstag feiern, werden sie von Möwen angegriffen, und am Abend dringen Spatzen durch den Kamin in das Haus der Brenners ein. Am folgenden Tag will Mrs. Brenner einen Farmer besuchen und findet ihn tot, mit ausgehackten Augen." (F. Truffaut, "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?" (S.278) Nach diesem Schock verspricht Melanie der besorgten Mrs. Brenner zur Schule zu fahren und Cathy dort abzuholen. Die Sequenz setzt im Schlafzimmer der Mrs. Brenner ein, die sich gerade erschöpft zu Bett begeben hat und blendet über auf den Sportwagen von Melanie, der gerade die Straße zur Schule emporfährt. |
Unter den Bildern ist Platz für die Notierung von
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Dramaturgische Glieder sind:
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Musteranalyse:
Ort der Handlung ist ein einsam auf einer Anhöhe gelegenes Schulhaus
zu dem eine Straße emporführt. Einstellung 1 leitet mit einer
Überblendung zu diesem neuen Ort hin. Zu hören ist das Motorengeräusch
eines sich entfernenden Autos.
Personen:
Melanie Daniels, die blonde Frau im Sportwagen;
Annie Hayworth, die Lehrerin
E1(screenshot
1), Totale, 15''
Mit einem horizontalen Schwenk von ca 30° folgt die Kamera dem offenen Sportwagen, der die Straße (von re nach li) zum Schulhaus hinauffährt. |
E2(screenshot
2), Halbtotale, 20''
Dem anhaltenden Sportwagen entsteigt eine Blondine, Melanie Daniels. Sie geht um den Wagen herum, die Treppe vor dem Haus hoch und öffnet die Türe.
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E3(screenshot
3), Medium, 1''
Durch eine Art Windfang und eine Türe mit Glasscheibe hindurch begibt sie sich in ein Klassenzimmer, in dem eine Lehrerin gerade mit einer Klasse ein Kinderlied probt. |
E4(screenshot
4), Halbtotale, 2''
Ein stummer Dialog mit Gesten zwischen Melanie und der Lehrerin Annie Hayworth über die Köpfe der Kinder hinweg sagt dem Zuschauer, daß die Blondine etwas von der Lehrerin will. |
E5(screenshot
5), Medium, 1''
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E6(screenshot
6), Halbtotale, 1''
Annie, die Lehrerin, bedeutet ihr mit einer Geste auf die Uhr, daß
sie eine kleine Weile warten soll.
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E7(screenshot
7), Medium auf Halbnah, 8''
Melanie hat verstanden und scheint zufrieden. Sie schließt die Tür und geht auf den Ausgang zu.
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E8(screenshot
8), Halbtotale über Medium auf Halbtotale,
20''
Die eigentliche Handlung -Warten auf das Unterrichtsende- beginnt damit, daß Melanie das Schulhaus verläßt. Die Kamera schwenkt zunächst beim Herabsteigen der Treppe vertikal mit der Frau. |
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Bild fehlt | (screenshot 9)
Am Fuß der Treppe kommt die Kamera einen Moment zum Stillstand, während sich die Frau nach einem geeigneten Platz zum Warten umsieht. |
(screenshot 10)
Dann folgt sie ihr ungeschnitten in einem horizontalen Schwenk um 90° nach links. Man sieht die Frau an einem Bretterzaun entlang gehen, der einen Spielplatz eingrenzt.
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E9(screenshot
11), Medium, 20''
Mit dem Rücken zum Zaun und einem dahinter liegenden Klettergerüst läßt sie sich nieder. Die Wartezeit vertreibt sie sich mit Rauchen. Von links fliegt eine Krähe ins Bild und setzt sich auf das Spielgerüst. |
E10(screenshot
12), Medium, 8''
Das Entnehmen der Zigaretten aus der Handtasche und ihr Entzünden wird in drei Einstellungen E9,10,12 ausführlich gezeigt.
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E11(screenshot
13), 7''
Dazwischen schiebt Hitchcock die Handlung auf dem Spielgerüst.
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E12(screenshot
14), Medium, 15''
In unregelmäßigen Abständen dreht die Frau ihren Kopf nach rechts und schaut zur Schule hinüber. Man hört, wie sie den Zigarettenrauch ausbläst
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E13(screenshot
15), 2''
Eine Krähe landet von links nach rechts ins Bild kommend auf dem Klettergerüst
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E14(screenshot
16), Nah, 8''
Immer wieder wendet dieFrau den Kopf in Richtung Schule
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E15(screenshot
17), 5''
Wieder landet eine Krähe und hüpft auf dem Gerüst nach rechts
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E16(screenshot
18), Groß, 25''
Emotionen der Protagonistin zeigen eine sich ab E12 steigernde Nervosität. Man hört nun, wie sie den Rauch ausatmet. Ihre Kopfdrehungen nach rechts zur Schule werden kontrastiert durch die Einflugrichtung der Krähen, die jeweils von links ins Bild kommen. |
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(screenshot 19)
Erst am Ende von E16 richtet sich ihr Blick nach links oben. |
E17(screenshot
20), Halbtotale, 8''
Ein langer Schwenk zeigt dann aus ihrer Sicht den Flug einer Krähe, holt sie quasi von hinten ein und
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(screenshot 21)
führt damit auf den dramatischen Höhepunkt.
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E18(screenshot
22), Groß, 5''
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E19(screenshot
23), Halbnah, 2''
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E20(screenshot
24), Groß, 2''
Kopf und Oberkörper der Frau schieben sich von unten ins Bild, man erkennt daran, daß sie aufsteht
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E21(screenshot
25), Halbnah, 3''
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Was bedeutet bei Hitchcock Suspense?
"Der Unterschied zwischen Suspense und Überraschung
ist sehr einfach...dennoch werden diese Begriffe oft verwechselt. Wir reden
miteinander, vielleicht ist eine Bombe unterm Tisch, und wir haben eine
ganz gewöhnliche Unterhaltung, nichts besonderes passiert, und plötzlich,
bumm eine Explosion. Das Publikum ist überrascht...Schauen wir uns
jetzt den Suspense an. Die Bombe ist unterm Tisch, und das Publikum weiß
es. Nehmen wir an, weil es gesehen hat, wie der Anarchist sie da hingelegt
hat. Das Publikum weiß, daß die Bombe um ein Uhr explodieren
wird, und jetzt ist es 12 Uhr 55 - man sieht die Uhr -. Dieselbe unverfängliche
Unterhaltung wird plötzlich interessant, weil das Publikum an der
Szene teilnimmt. Es möchte den Leuten auf der Leinwand zurufen: Reden
Sie nicht über so banale Dinge, unter Ihrem Tisch ist eine Bombe,
und gleich wird sie explodieren! Im ersten Fall hat das Publikumm 15 Sekunden
Überraschung beim Explodieren der Bombe. Im zweiten Fall bieten wir
ihm 5 Minuten Suspense."
("Mr. Hitchcock, wie haben Sie das gemacht?" von Francois
Truffaut, München, 1973, S. 64)
Aufgaben für die Schüler:
Erklären Sie den Suspense in der oben erarbeiteten Sequenz! Skizzieren Sie eine eigene kleine Handlung mit Suspense!
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Fragen an die Schüler:
Wie löst man Suspense-Szenen auf? Darf die Bombe explodieren? Wie arbeitet man auf einen Höhepunkt hin? Welche Bedeutung haben in dem Zusammenhang Verzögerungen? |
"Wenn Sie eine gute Szene voll Suspense und
stummer Erwartung haben, dann richten Sie sich majestätisch darin
ein, mit sehr viel Atmosphäre, der Stil der Einstellungsfolge ist
sehr persönlich, selten vorhersehbar und immer wirkungsvoll, das ist
ein wenig Ihr Berufsgeheimnis. Ich denke da an das, was dem Schulschluß
vorausgeht.
Schauen wir uns die Szene an, vor der Schule,
wenn Melanie Daniels dasitzt und sich hinter ihr die Raben versammeln.
Melanie, voll Unruhe, geht in die Schule, um der Lehrerin Bescheid zu sagen.
Die Kamera geht mit ihr hinein, und kurz darauf sagt die Lehrerin zu den
Kindern: "Ihr geht jetzt raus, und wenn ich es sage, rennt ihr los." Ich
lasse die Szene weitergehen bis zur Tür. Dann schneide ich und zeige
nur die Raben, alle zusammen und ich bleibe ohne Schnitt und ohne daß
irgendetwas passiert dreißig Sekunden auf ihnen. Dann fragt man sich:
Aber was ist mit den Kindern, wo sind sie? Und da hört man die Schritte
laufender Kinder, die Vögel fliegen auf, man sieht sie über das
Dach der Schule fliegen und sich auf die Kinder stürzen.
Die alte Suspensetechnik hätte die Szene
stärker unterteilt. Zunächst hätte man die Kinder gezeigt,
wie sie das Klassenzimmer verlassen, dann die wartenden Raben, die sich
bereitmachen, dann die Kinder, wie sie aus der Schule kommen, dann die
Vögel, die auffliegen, dann die Kinder, die losrennen und schließlich
die Attacke auf die Kleinen. Aber das ist meiner Meinung nach ein veraltetes
Vorgehen.
Aus demselben Grund bleibt die Kamera, wenn
das Mädchen vor der Schule wartet und eine Zigarette raucht, vierzig
Sekunden auf ihr. Sie schaut sich um und sieht einen Raben, sie raucht
weiter, und als sie wieder hinschaut, sind schon alle Raben da."
(Der Text stammt aus "Mr. Hitchcock, wie haben Sie das
gemacht?" von Francois Truffaut, München, 1973, S. 287)
Hintergrund zum Film
Die Story geht zurück auf eine Kurzgeschichte von Daphne du Maurier.
Der Film kam 1963 über Universal in die Kinos und dauert 120
Minuten. Regie Alfred Hitchcock, Kamera Robert Burks. Die Hauptrollen sind
besetzt mit Tippi Hedren (Melanie Daniels - ein Playgirl, verwöhnte
Tochter eines reichen Verlegers), Rod Taylor (Mitch Brenner, ein Anwalt),
Jessica Tandy (die Mutter von Mitch Brenner, die eiferüchtig ihren
Sohn vor Melanie bewahren möchte), Suzanne Pleshette ( die Lehrerin
Annie Hayworth).
Im Internet fand ich folgende Seiten zu Hitchcock:
http://search.yahoo.de/search/de?p=Hitchcock
Bei SAN (Schulen ans Netz) gibt es eine zum Lernprogramm erweiterte
Fernsehsendung zur Erzählform des Films
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