Kommentar zum Kommentar von Uli Schuster
zum Kunstabitur 2001 "Müssen bayerische Abiturienten sich vor Drucksachen
bebeuysen?"
Auch
wenn mir nicht so ganz deutlich geworden ist, was Uli Schuster in seinem
„Kommentar“ wirklich kritisiert, möchte ich doch zu einigen Aspekten
Stellung nehmen.
Wenn
ich es recht sehe, kritisiert Schuster hauptsächlich die folgenden
4 Punkte:
-
Die Aufnahme
einer Skulptur als Thema in das Abitur
Nur so kann die Kritik Schusters an den verfälschenden Einflüssen
der fotografischen Reproduktion auf die Rezeption des Werks im ersten Teil
gelesen werden. Nun würde seine Kritik, wenn man ihr folgte, bedeuten,
nie wieder ein dreidimensionales Objekt zum Thema einer Abiturprüfung
zu machen. Wahrscheinlich könnte man sogar nicht einmal mehr eine
Reproduktion eines Gemäldes nutzen, da auch bei dieser Schusters Frage
gelten muss: „Ist die fotografische Aufnahme Objekt der Analyse, oder soll
aus ihr das ... [Originalwerk] rekonstruiert werden?“ Die einzige Alternative
wäre dann wohl, das Abitur im Museum (für kleinere Orte ohne
Museum vielleicht vor Originalen des jeweiligen Kunsterziehers?) abzuhalten.
-
Den Teil der
Aufgabe >Bildnerische Analyse / Detailstudie< (Zeichnung nach dem Werk)
Hier halte ich die kritische Haltung Schusters grundsätzlich für
gerechtfertigt. Die Tradition dieser Art der Aufgabenstellung halte auch
ich für problematisch, da sie nach meiner Erfahrung in der Tat zu
einer meist wenig produktiven „Sachzeichnung“ zur jeweils vorgelegten Bildreproduktion
(die hier viel problematischer wird als bei 1.) gerinnt. Vielleicht gelingt
es den Verantwortlichen, hier zu einer Konstituierung eines neuen Aufgabentypus
(für den grundsätzlich ja nicht falschen praktischen Anteil bei
den Aufgaben mit theoretischem Schwerpunkt) zu kommen?
-
Dass ein Werk
von Beuys Thema im Abitur wurde (1)
Dass Beuys ein stark mystisch angehauchtes Werk in der Kunst des 20.
Jahrhunderts hinterließ, das zudem eine starke Rezeption erfuhr,
ist nun mal passiert, auch wenn es Uli Schuster nicht gefällt. (Übrigens
hatten bereits in den 60er Jahren eherenwerte Künstler wie Vostell,
Götz, Hoehme und Kricke nicht zuunrecht den „Jesuskitsch“ von Joseph
Beuys kritisiert.) Dennoch ist das in der Aufgabe benutzte Zitat, das von
Uli Schuster wohl gänzlich falsch interpretiert ist, nicht einmal
kitschig. Sich >an der wirklichen Materie zu stoßen<, bedeutet
sicher nicht, den Märtyrertod auf sich zu nehmen, noch sonst irgendwas
Sentimentales.
Grundsätzlich ist es natürlich – auch hier würde ich
Uli Schuster wieder Recht geben – die Nutzung von Künstlerzitaten
für die Interpretation eines Werks äußerst problematisch.
(Ich persönlich habe dieses Vorgehen z.B. meinen Schülern für
ihre Referate im LK untersagt.) Vielleicht kann das ISB hier eine neue
Sensibilität gegenüber dieser Problematik begründen.
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Dass ein Werk
von Beuys Thema im Abitur wurde (2)
Dass Beuys darüber hinaus ein ungeheuer präziser Künstler
war, bei dem z.B. eine „Schieflage“, wie bei den beiden Flaschen, sehr
wohl ein äußerst bewusst wahrgenommenes Gestaltungsprinzip war,
das lässt sich ebenfalls nicht leugnen. (Vielmehr legitimiert dies
wohl letztlich seine herausragende Stellung in der Kunst des 20. Jhdts.)
Noch
zwei Kleinigkeiten:
Die
Aussage, der Tag des zentralen Abiturs sei der Höhepunkt des schulkünstlerischen
Daseins eines bayerischen LK-Kunst-Schülers provoziert die Frage nach
den vorhergehenden Highlights im Verlauf des LK vorher.
Und
das Lob für das bayerische Kultusministerium, sich von Beuys provoziert
nicht mehr einfach vom Stuhl reißen sondern zu produktiver Auseinandersetzung
anregen zu lassen, überrascht, zumal dem Kommentator Uli Schuster
hier ein überraschender Schulterschluss zwischen einer – seinerzeit
aus wertekonservativer Sicht hervorgerufenen – und seiner – aus Missverständnissen
entstanden – beuyskritischen Haltung gelingt. Schuster und Hundhammer prügeln
gemeinsamen den armen Beuysverehrer, das ergäbe eine nette Karikatur.
München,
22.6.2001, Ernst Wagner