Luitpold-Gymnasium München Leistungskurs Kunsterziehung |
Bildvergleich: Apoll - Jason
Schulaufgabe Kombinierte Aufgabe mit schriftlich-theoretischem Schwerpunkt, praktischem Ergänzungsteil. Lernbereich Plastik im 19.Jh, vergleichende Bildbetrachtung; Gegeben sind in Abbildungen: Apoll (Rom, vatikanische Museen, Marmor, Höhe 2.24m); Jason (Kopenhagen, Marmor, Höhe 2.42m) Zeit: 3 UE von Uli Schuster |
1. Erster Eindruck
Bei der geistigen Auseinandersetzung mit Bildern spielen subjektive Momente eine nicht unwesentliche Rolle. Formulieren Sie Anmutungen, Assoziationen, Einschätzungen bezogen auf den Vergleich der beiden Standbilder. Proportionen und Kameraposition bei Rollover |
Behende, aber doch kraftvoll wirkt dagegen
der andere, im Stand verspielt, aber doch solide, die Haltung ist bewegt
genug um die Figur nicht wie einen unbeweglichen Klotz wirken zu lassen.
Der strenge, souveräne Seitenblick findet adäquaten Rückhalt
in der griffbereiten Lanze, das schwere Fell hält er schildartig vor
sich. Ich kann das Gewicht beim bloßen Ansehen spüren. Es ist
die Ruhe vor dem Sturm, der mit Alarmbereitschaft, doch ohne Furcht erwartet
wird. Diese Figur wirkt massiger, mächtiger als die zuerst beschriebene;
sie wirkt auf mich nicht wie die Inkarnation sanftmütiger Schönheit,
sondern eher wie ein Bild der Stärke und Standhaftigkeit."
"Zunächst einmal scheinen mir beide Figuren ziemlich ähnlich, aber in den Details erkenne ich deutliche Unterschiede. Die Figur des Apoll sieht für mich aus wie amputiert, während der andere komplett und perfekt ist. Trotz oder vielleicht wegen der Schäden sieht der Apoll sehr leicht aus. Lässig hängt sein Umhang über dem vielleicht deutenden Arm. Sein Kinn hebt er leicht an, bereit jemand zu tadeln. Hier steht ein Gott vor Dir, sagt mir seine Haltung, und ich komme, um nach dem rechten zu sehen. Luftig, leicht, wie gerade erst gelandet, schwebt er scheinbar über dem Boden. Er flößt Respekt ein, aber man muß ihn nicht fürchten. Was tun seine nicht vorhandenen Hände? Weiß er von der Schlange, die sich am Baumstumpf neben ihm hochschlängelt? Warum beachtet er sie nicht? Im Vergleich dazu finde ich den Jason viel irdischer. Er schreitet fest, fast niedergedrückt vom Gewicht seiner spärlichen militärischen Ausrüstung. Suchend blickt er über seine Schulter. Vermißt er jemand? Sieht er seine Vergangenheit? Er läuft gerade auf mich zu und ich sollte besser ausweichen, weil er mich nicht sieht. Der Apoll präsentiert sich eher. Das über seinem Arm liegende Tuch ist leicht. Dagegen scheint mir der Jason greifbarer und das Ziegenfell lastert schwer auf seinem Arm. Die Waffen erscheinen mehr als Zierde denn als Tötungsinstrumente und auch der Helm bietet dem nackten Körper wenig Schutz. Was immer er sieht, es scheint ihn vom Vorwärtsgehen nicht abzuhalten, von mir nimmt er keine Notiz. Der Apoll hingegen schaut über mich hinweg, herablassend und wie absichtlich." |
Erwartungen:
Erster Eindruck; Anmutungen, Assoziationen, Einschätzungen in subjektiver, vergleichender Form dargestellt, bezogen auf beide Standbilder/Vorlagen. Auffälligkeiten werden thesenartig, provokativ angesprochen und sollen bereits Aufhänger für die eingehende Beschreibung, Analyse und Interpretation liefern. Mögliche Aufhänger: Haltungen, Handlungsaspekt, Nacktheit, Ausstattung, fotografische Präsentation. Max: 10 BE von 60 |
2. Vergleichende Beschreibung
a) Für die Beschreibung von Haltung und Bewegungsausdruck fertigen Sie zunächst zeichnerische Studien von vernünftiger Größe, die Proportionen, Gliederung, Achsensysteme, Bewegungsrichtungen beider Figuren erfassen. b) Formulieren Sie sodann in Worten die hierbei gemachten Erkenntnisse in einer vergleichenden Beschreibung. |
![]() "Bei der Betrachtung der Achsensysteme beider Plastiken verschwindet die große Ähnlichkeit zunehmend, die man im ersten Eindruck erhält. Jason zeigt uns sein Profil, Apoll läßt sich im Halbprofil betrachten. Apoll ist uns mit seiner linken Schulter zugewandt und nimmt die rechte- leicht zurück, während Jasons Körper völlig frontal zu uns gerichtet ist. Erst in der Hüfte setzt bei ihm die Bewegung an, das Becken kippt leicht und die Beine stehen in Schrittstellung und gewinkelt. Das rechte Bein steht als Standbein fest auf dem Boden während das linke nach hinten gestellt ist, in der Bewegung wie im Winkel mit der Schrägstellung der Hüfte korrespondiert und nur noch mit den Zehen den Boden berührt. ![]() ![]() Beide Standbilder stehen auf einem flachen Sockel (Plinthe), die beim Apoll rund ist und somit die Drehbewegung verstärkt, während sie beim Jason rechreckig ist und damit die Vorwärtsbewegung des Körpers ebenso aufnimmt wie die seitliche Drehung des Kopfs." Proportionen "Beide Bildhauer haben ihre Figuren über lebensgroß dimensioniert. Der Jason würde den Apoll noch um Haupteslänge überragen. Aber beide Figuren sind im wesentlichen gleich proportioniert mit 10 Kopflängen auf die gesamte Körperhöhe, aber Jason wirkt körperlich stabiler, massiger, schwerer. Daran mögen auch die Stützen ihren Anteil haben, der Baumstumpf mit dem übergeworfenen Mantel und der Eisenträger, der das Fell abstützt." |
Erwartungen:
Vergleichende Beschreibung; mindestens 2 zeichnerische Studien in ausreichender Größe um Proportionen, Gliederung, Achsensysteme, Bewegungsrichtungen beider Figuren zu erfassen. Im Zentrum der Darstellung steht die proportionierte und haltungsbezogene Darstellung der Körperachsen. Bewegungsrichtungen können mit Hilfe von Richtungspfeilen aufgezeigt werden. Der Einsatz von Farbe kann die Darstellung verdeutlichen. Geachtet wird auf eine balancierte Figur, deren Ausrichtung beispielsweise durch ein Lot und die Angabe eines Schwerpunktes erreicht werden kann. Max: 10 BE von 60 Vergleichende Beschreibung; Verbale Zusammenfassung der Erkenntnisse aus der Studie. Die Darstellung soll Bezug nehmen auf Proportionen, Gliederung, Achsensysteme, Bewegungsrichtungen beider Figuren. Dabei kommen auch Wirkungen zur Sprache. Max: 15 BE von 60 |
3. Interpretierende Rekonstruktion
Sie haben es hier zu tun mit einer antiken und einer klassizistischen Plastik, einer vollständigen und einer verstümmelten. Dabei könnte die Vollständige eine Ergänzung sein und die Verstümmelte ein Nonfinito, wie man es seit Michelangelo und verstärkt aus dem 19. Jh kennt. a) Denken Sie bei beiden Standbildern über den Originalzustand nach und formulieren Sie Argumente, die für oder gegen ein Original sprechen und dabei zeitliche, materielle und stilistische Einschätzungen beinhalten. b) Versuchen Sie sich sodann in einer zeichnerischen Rekonstruktion, die den von Ihnen vermuteten Originalzustand sichtbar macht. (Größe etwa 1:1 zur Abbildung) Vergrößernde Details der vorgenommenen Veränderungen könnten sinnvoll sein. |
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Erwartungen:
Interpretierende Rekonstruktion; formulieren von Argumenten, die für oder gegen ein Original sprechen und dabei zeitliche, materielle und stilistische Einschätzungen beinhalten. Unterschiedliche körperliche Präsenz, Idealisierung, Glättung; Diskussion des Materials Marmor und der Größe und raumgreifenden Haltung der Figur in Bezug auf die Alternative Bronze; Berücksichtigung des Aufstellungsortes; Einschätzung der Bruchstellen, Dübellöcher; Einschät-zung der diversen Stützen, Baumstümpfe, Eisen, Unterfütterung des Fußes; Kenntnisse aus dem Buch und dem Unterricht; Stichhaltigkeit der Argumentation, was die zeitliche, materielle und stilistische Einschätzungen betrifft. Max: 15 BE von 60 Zeichnerische Rekonstruktion; Fähigkeit zur zeichnerischen Ergänzung einer Haltung (Größe etwa 1:1 zur Abbildung). Vergrößernde Details der vorgenommenen Veränderungen könnten sinnvoll sein. Max: 10 BE von 60 |
Literatur / Quellen
"Bilder nach Bildern", Westfäl. Landesmuseum Münster 1976 "Skulptur", Taschen 1996 Führer der vatikanischen Museen, 1986 http://mulzer-hh.de/Faszinierende%20Antike/Fotoausstellung/der%20apoll%20vom%20belvedere%20.htm
http://www.phil.uni-erlangen.de/~p1altar/ausstellung_html/lindenau/lindenau_1.html
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