Realismus
im 19. Jh
"Realismus ist
eine Begriffshydra verfänglichster Art" (Peter Sager
in "Neue Formen des Reslismus", S.16)
von U. Schuster 2011 |
Da der französische Maler Gustave
Courbet den Begriff Realismus zuerst für sich in Anspruch
genommen hat erscheint es naheliegend, nach seinem Verständnis von
Realismus zu fragen. Dieses läßt sich in den folgenden Postulaten
umschreiben:
(verkürzt nach J.A.Schmoll, "Naturalismus und Realismus", München, 1975) |
"Courbets Malrevolution hatte schon 1849 stattgefunden und es handeltee sich bei dem 'Begräbnis von Ornans' wirklich um ein Attentat. Auch in Frankreich hatte die alte Hierarchie gegolten, einschließlich der jeweils erlaubten Bildmaße. Die Historienmalerei besetzte dort ebenfalls den ersten Rang und bekam den größten Rahmen. Aber Courbet hatte mit der List des zum Neuen Entschlossenen sein Bild so gekennzeichnet: "Tableau de figures humaines, historique, d'un enterrement á Ornans". Er verwandelte die Bauern in Menschen und die Beerdigung eines Jedermann in ein historisches Ereignis" (Werner Ross, "Bohémiens und Belle Epoque", S.181) |
Das Bild, von dem hier die Rede ist, hatte
ein Format von 314 x 663 cm. In der Dimension liegt der Anspruch eines
Historiengemäldes, aber beerdigt wird ein namenloser Bürger einer
bäuerlichen Kleinstadt. So etwas hatte es vorher nicht gegeben und
die Jury des Salons von 1850/51 fühlte sich herausgefordert die Würde
der Kunst zu verteidigen. Sie lehnte eine Ausstellung im offiziellen Salon
ab. Damit zerbricht zunächt einmal die idealistische Einheit des Wahren,
Guten und Schönen, die noch heute unsere Bayerische Verfassung als
Bildungsziel in Artikel 131 verteidigt. Kunst liefert uns im Realismus
nicht mehr das Vorbild des Edlen, eine zur Idee, zum Ideal gereinigte Weltsicht,
sondern sie sieht es als Ziel von Aufklärung, unseren Blick
zu weiten auf eine "ungeschminkte"
Wirklichkeit
und damit ein anderes
Verständnis von Wahrheit. Wirklichkeit sucht der Realismus im gesellschaftlichen
Milieu,
in den Lebensumständen der zeitgenössischen Menschen. Und der
Blick auf die gesellschaftliche Realität richtet sich zunehmend auf
die Menschen, die vom Leben, vom Glück, vom Schicksal nicht verwöhnt
sind. Insofern trifft der Realismus im 19.Jh mit einem materialistischen
Zweig der Aufklärung zusammen, der für das Recht der Bauern
und Arbeiter kämpft und in der Politik mit dem Begriff des Sozialismus
und Kommunismus beschrieben wird. Courbet selbst hat sich 1869 zum
Präsidenten der Republikanischen Kunstkommission wählen lassen
und im Jahr darauf zum Stadtrat und Mitglied in der Pariser Kommune.
Der Begriff Natur nimmt im Realismus eine zentrale Stelle ein. Der Aufstieg der Naturwissenschaften gegenüber den Geisteswissenschaften im 19.Jh zeigt, daß es einerseits um eine abstrakte Natur geht, in der die göttliche Hand nicht mehr Regie führt, die in ihren natürlichen Gesetzmäßigkeiten von der Wissenschaft erkannt, vom Ingenieur beherrscht, in der Technik zum Wohl der industriellen Produktion genutzt wird. Welche Sicht der Natur herrscht im Realismus
vor?
Vertreter des Realismus in Deutschland
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Literatur
Werner Ross, "Bohémiens und Belle
Epoque", 1999
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