Objekte aus der Glyptothek München
Ein Lehrerprojekt

von Charlotte Hamdorf und Uli Schuster

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Plastiken der Kunstgeschichte präsentieren wir im Unterricht des Fachs Kunst in der Hauptsache nach Drucken oder Dias aus Büchern oder Bildsammlungen der Schule, wenn man von den selteneren Fällen des Museumsbesuchs einmal absieht. Fotografien zeigen das plastische Objekt von einer Ansicht, den Rest kann man sich denken oder man gibt der Versuchung nach und spekuliert über Ansichten, die man hätte, wenn...
Die digitale Fotografie eröffnet hier neue Möglichkeiten und es ist durchaus auch Sache von Pädagogen, im Bereich der Bildpräsentation nach neuen Lösungen zu suchen. Die hier vorgestellten Rundumansichten sind mit Digitalkamera und Stativ bei natürlichem Licht in der Glyptothek aufgenommen. Die Aufnahmen mußten mit Photoshop nachbearbeitet, vor allem zentriert und in der Größe angepasst, gelegentlich auch in der Helligkeit korrigiert werden werden. Ebenfalls in Photoshop wurden die Animationen erstellt.
Als weiteren Weg haben wir die Aufnahmen zu QuicktimeVR-Objekten transformiert. Das hat für die Präsentation im Unterricht den Vorteil, daß man die Drehbewegung vom Automatismus der Gif Animation befreit. QuicktimeVR-Objekte werden durch Mausklick bewegt und bieten den Vorteil des Zooms in das Bild. Eine weitere Möglichkeit blieb bislang von uns ungenutzt: QuicktimeVR-Objekte können aus mehreren Aufnahmewinkeln sowohl in der Horizontalen, wie auch in der Vertikalen aufgenommen und betrachtet werden. Dazu wäre allerdings eine ausgefeilte Aufnahmetechnik Voraussetzung, die uns im Moment nicht zur Verfügung steht.
Die QuicktimeVR-Objekte eignen sich wegen ihrer Dateigröße nicht zur Präsentation im Internet, weil wir sie um der Möglichkeit des Zoomens willen so groß wie möglich gehalten haben.
Herzlichen Dank für die freundliche Unterstützung des Projekts durch die Glyptothek München!
Römische Bildhauerei
Die römische Bildhauerkunst unterscheidet sich inhaltlich von der der Griechen. Die Idealplastiken der Griechen wurden im kultischen Kontext verwendet, Kopf und Körper als Einheit betrachtet. Die römische Portraitbüste diente in erster Linie repräsentativen Zwecken, vor allem der Kopf, das Gesicht galt als der wichtigste Ausdrucksträger, als der Körperteil, an dem der Charakter des Dargestellten manifest wird.
In großer Anzahl aufgestellt auf öffentlichen Plätzen, gaben diese repräsentativen Büsten und Statuen historische Persönlichkeiten wieder. Die Typisierung der Herrscherpersönlichkeiten wich erst im Laufe der Zeit einem gesteigertem Interesse am „Charakter“ des Dargestellten, das Privatportrait gewann an Bedeutung. 
Als Ursprung der Portraitkunst wird die für das 2. Jh. v. Chr. bezeugte Praxis des römischen Ahnenkultes gesehen: eine vom Verstorbenen abgenommene Totenmaske aus Wachs nahm an dessen eigener Trauerfeier teil und wurde später in einem Schrein im Hause aufbewahrt. Da Wachs wenig haltbar ist, wurden diese Masken später oft in Stein übertragen. Im 1. Jh. entfaltete sich die Bildhauerkunst zunehmend, hellenistische Einflüsse,  insbesondere der hellenistische Hang zu barocker Bewegtheit und physiognomischer Expressivität prägten diese Bildgattung in der Anfangszeit der römischen Portraitkunst. Seit Jahrhunderten geübt in der Wiedergabe, Idealisierung bzw. Interpretation von Körpern und Gesichtern in Stein, waren es so in erster Linie griechische Bildhauer, die in Rom den steigenden Bedarf an Portraits deckten. Ab etwa 50 v. Chr entwickelt sich die Portraitkunst zu einem oft ungeschönten Realismus weiter, der als „stadtrömischer Verismus“ (Kaschnitz von Weinberg) bezeichnet wird.
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Büste des Augustus, römischer Kaiser (63 v.Chr. bis 14 n.Chr.), posthumes Bildnis um 40/50 n.Chr.

Eine Gattung innerhalb der römischen Skulptur war das repräsentative Kaiserportrait. Bis zur Zeitenwende waren bis dato Herrscherportraits häufig an der Darstellung Alexander des Großen orientiert gewesen: die aufgeworfene Stirnlocke, die großen, in die Ferne gerichteten Augen (Expansion!) Alexanders stehen als Symbole für Machtbewusstsein und Entschlossenheit. 
Mit Augustus (reg.31v.Chr.-14.n.Chr.) wurde ein neuer Typ des Herrscherportraits kreiert: Er ist mit dem ruhigen Selbstverständnis des Alleinherrschers wiedergegeben, nicht als jugendlicher Hitzkopf, sondern als ein ernster und in sich ruhender Mann. Der weiche Mund und die glatten Gesichtszüge zeigen eine gewisse Typisierung, das Gesicht ist entspannt und unbewegt und erinnert in seinem Ausdruck an das klassisch-griechische Ideal der äußeren Unbewegtheit. Augustus ist in diesem zeitgenössischen Portrait (30/20 v Chr.) bekränzt mit der „Corona Civitatis“, der Eichenlaubkrone, den ihm der römische Senat für die Errettung des römischen Volkes verliehen hatte. Etwa 160 Versionen, sowohl als Büste wie als Statuen dieses Augustäischen Portraittyps sind bekannt, als dessen Urform der Augustus von Primaporta in den Vatikanischen Museen gilt. 
Quicktime Objekt (1,4 MB)

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Nero
Der Kopf des Nero (reg.54-68 n Chr.) ist Teil einer verlorengegangenen Kolossalstatue, die zu Zeiten seiner Regentschaft hergestellt worden war und durch ihre schiere Größe eine Steigerung des repräsentativen Herrscherportraits darstellt.
Mit 17 auf den Thron gekommen betrieb Nero unter dem glücklichen Einfluss seines Erziehers Seneca (den er später in den Tod trieb) die Staatsgeschäfte zunächst gut. Seine gewalttätige und unbeherrschte Natur brach sich jedoch zunehmend Bahn: zahlreiche Verbrechen, wie die Morde an seiner Mutter und Ehefrau, die gnadenlose Verfolgung der ersten Christen - Petrus und Paulus starben unter ihm – und der offene Verstoß gegen römische Traditionen riefen offene Empörung hervor, so dass er sich zum Freitod getrieben sah. Die Statue wurde  zu Neros Lebzeiten (54-68 n. Chr.) hergestellt. Nach seinem Ableben wurden von Nero keine Statuen mehr aufgestellt.
Quicktime Objekt (680 KB)
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Kopf eines Mannes
Teil einer Statue war dieses Privatportrait eines Mannes (240 n. Chr.). Im ernsten, um die Augen fast resigniert wirkenden Gesichtsausdruck sah Dieter Ohly einen „Mensch ohne geistige Heimat“. Bart und Falten sind ihrer Oberflächenbeschaffenheit nicht illusionistisch, vielmehr sind sie gleichsam graphisch in das ansonsten sehr naturalistische Portrait eingemeißelt – beim Bart geradezu hineingehackt - und wohl als sinnbildliche Zeichen für das Wesen und die Lebenserfahrung dieses Mannes zu betrachten. Hier wurde ein seelisches Moment erfasst, das überindividuell und über den Zeitkontext hinaus lesbar ist. 
Quicktime Objekt (733 KB)
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Frau mit hoher Lockenfrisur, um 80 n.Chr.
Dieses Privatportrait aus dem 1. Jh. n. Chr. zeigt eine Dame, die ihre Haare in einer von der flavischen bis in die trajanische Zeit üblichen Weise trägt. In diesem Bildnis wird die Angleichung des Privatportraits an die Portraits der Herrschenden evident: als Vorbild für diese Haartracht, die auch viele Hofdamen trugen, gilt Julia Titi, die Tochter des Kaisers Titus. Gleich einem Diadem überhöhte die kunstvolle Frisur ihre Trägerin. Ein Haarteil bildete die lockige Gesichtsrahmung, die eigenen Haare wurden im Nacken zu einem Kranz zusammengefasst.
Quicktime Objekt (1,2 MB)
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Attischer Kuros, Grabstatue, 540/530 v.Chr., rötlich braun verwitterter Marmor.
Vom mittleren 7. Jh. bis zum 5. Jh. v. Ch. war dieser seltene Typus von Jünglingsstatuen in griechischen Heiligtümern zu finden. Es waren Grabstatuen, die mit der Fußplatte in Sockelsteine eingelassen waren, auf denen die Namen der Verstorbenen und Inschriften standen. 
Der entspannte Gesichtsausdruck des attischen Jünglings und das leichte Lächeln kontrastieren mit dem kräftigen, muskulösen Körperbau. Der Rücken aufrecht, die zu Fäusten geballten Hände an die Oberschenkel gelegt, das linke Bein vor das andere gesetzt wirkt die Figur trotz der Schritthaltung verhalten, eher statisch und unbewegt. Der in die Unendlichkeit gerichtete strahlende Blick und das vorgestellte Bein geben der Figur jedoch eine Richtung, nehmen eine Bewegung vorweg und verleihen der Figur eine den umliegenden Raum beeinflussende Präsenz.
Quicktime Objekt (1,6 MB)
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Barberinischer Faun, um 220 v.Chr.
Der Beiname gibt einen Hinweis auf den "Finder". Unter Papst Urban VIII (aus dem Geschlecht der Barberini) wurde das Bildnis im 17. Jh bei Bauarbeiten auf der Engelsburg in Rom gefunden. Das rechte Bein und den linken Arm hat Bernini ergänzt.(Quelle: Führer der Glyptothek)

Eines der herausragendsten Werke hellenistischer Bildhauerkunst ist der „schlafende Satyr“, der sogenannte „Barberinische Faun“. Satyrn waren wilde, ungezügelte Gestalten im Gefolge des Gottes Dionysos und wurden meist hässlich, mit aufgestülpter Nasen,  groben Gesichtern und Bocksbeinen dargestellt. Beim Barberinischen Faun weisen nur die etwas derben Gesichtszüge, die tief angesetzte Stirnlocke, die wilden Locken mit dem Weinlaub und der Schweif satyrhafte Züge auf. Völlig berauscht und entspannt lagert die muskulöse und sinnliche Gestalt auf dem mit einem Fell bedeckten Fels. Trotz ihrer Entspannung wirkt die Figur wegen ihrer in alle Richtungen auseinanderstrebenden Körperachsen, ihres dynamischen Körperausdrucks sowie des lebhaften Lichtspiels auf der stark reliefierenden Oberfläche bewegt und expressiv, sie öffnet sich nach fast allen Seiten dem Raum.
Ludwig I erwarb die Skulptur, die im 17. Jahrhundert ausgegraben worden war, als Pabst Urban VIII die Befestigungen der Engelsburg ausbauen ließ, nach langen Verhandlungen durch seine Kunstagenten 1813 aus dem Besitz der Barberini in Rom; auf abenteuerlichen Wegen gelangte sie schließlich nach München. Die Skulptur, die in der Antike als Weihegeschenk wohl im Freien aufgestellt worden war, ist nicht mehr im ursprünglichen Zustand. Bereits in der Antike wurde ein Loch für ein Brunnenrohr gebohrt, nach der Auffindung der Statue im 17. Jh. wurde die Rückseite des Marmorblocks abgeschrägt, die fehlenden Gliedmaßen, das rechte Bein und der linke Arm immer wieder mehr oder weniger gelungen ergänzt. 
Quicktime Objekt (1,8 MB)

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Quellen: 
Dieter Ohly: Glyptothek München 
7. bearb. Auflage, München 1992 

Carmela Thiele:  Skulptur, Köln 1995

Monika Goedl ( Hrsg.):  Museen in München, München 1983